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English Summary The search for better means of providing more effective fulfilment of state responsibilities has developed into a priority for legislators in the past few years. This question is closely linked with the issue of cantonal division. Are 19th century territorial structures still cut out to tackle the challenges of the 21st century? Are they sufficient to allow for economic, social, and environmental (sustainable) development of both the agglomeration space taken as a whole and the political structures composed of so many different communities? Or can we conclude that ideal political answers to these dynamic processes are missing? The following article presents the newly emerged «Zweckgemeinde» (purpose communities) as a possible foundation for territorial reform, which has been discussed by the Zürich constitutional council within the framework of an overall review. The model presents the «Zweckgemeinde» within the context of the two highly important state responsibilities of traffic infrastructure and spatial planning. It also takes into account the report entitled «Federal Agglomeration Policy», which was approved by the Swiss Bundesrat on December 19, 2001.
Der Kanton Zürich wird heute durch eine starke Kernstadt Zürich und einen die Stadt umgebenden pulsierenden Agglomerationsraum geprägt. In diesem Raum war in den vergangenen Jahrzehnten eine rasante Entwicklung zu beobachten. Das Kantonsgebiet besteht aus 171 Gemeinden unterschiedlicher Grösse und ist in zwölf Bezirke eingeteilt. Die Bezirke dienen der Dezentralisierung von kantonaler Verwaltung und Justiz. Diese Gebietsstrukturen stammen aus dem 19. Jahrhundert und es stellt sich die Frage, ob sie für eine zukünftige effiziente staatliche Aufgabenerfüllung bzw. ganz allgemein für die Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts noch geeignet sind. Reicht die heutige Gebietseinteilung noch aus für eine wirtschaftlich, gesellschaftlich und umweltspezifisch nachhaltige Gesamtentwicklung des ganzen Agglomerationsraums und der heutigen aus verschiedenen Gemeinden bestehenden politischen Strukturen? Oder ist festzustellen, dass für diesen dynamischen Prozess der Metropolitanisierung geeignete politische Antworten und Plattformen fehlen [1]? Die Beantwortung dieser Frage und die allfällige Entwicklung neuer Gefässe ist eine Hauptaufgabe des derzeit tagenden Zürcher Verfassungsrates [2]. Im Rahmen dieser Diskussion prüft der Verfassungsrat auch die Einführung von so genannten Zweckgemeinden, um den Gemeinden, die verstärkt den Wunsch nach einer Intensivierung der Zusammenarbeit äussern, geeignete Instrumente an die Hand zu geben. Die Zweckgemeinde steht - mit Blick auf die Agglomerationsgemeinden - im Zentrum des vorliegenden Beitrages.
Die heutige Gemeindevielfalt ist Ausdruck eines gelebten Föderalismus, der nicht nur eine Grundvoraussetzung der bundesstaatlichen Idee bildet, sondern auch einen Grundpfeiler des «Erfolgsmodells Schweiz» darstellt. Föderalismus beschränkt sich nicht nur auf alle Formen der Zusammenarbeit zwischen den Kantonen («horizontaler kooperativer Föderalismus») und zwischen Kantonen und Bund («vertikaler Föderalismus»), sondern findet seine Grundlage auch auf einer tieferen Ebene, nämlich in der interkommunalen Zusammenarbeit. Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben greift aus sachlichen Gründen und mit zunehmender funktionaler Vernetzung der Agglomerationsgemeinden immer häufiger über die Gemeindegrenzen hinaus: Bei der Erfüllung vieler öffentlicher Aufgaben sind die Gemeinden miteinander verflochten, und isolierte Einzellösungen einer Gemeinde sind weder finanziell noch technisch machbar [3]. Durch eine sachbezogene Aufgabenerfüllung können aber die Nachteile der bestehenden kleinräumigen Gemeindeeinteilung relativiert werden, ohne dass die ganze Gebietsstruktur von Grund auf neu überdacht werden muss. Dies ist vor allem für Agglomerationsgemeinden von zentraler Bedeutung. Neue Formen der Aufgabenerfüllungen zwischen den Gemeinden dürfen jedoch mit Blick auf die Gemeindeautonomie nicht erzwungen werden. Es sind vielmehr Lösungsansätze zu entwickeln, die ein schrittweises Annähern der Gemeinden erlauben [4]. Die neueren Kantonsverfassungen und Verfassungsentwürfe in der Schweiz betonen die Bedeutung der interkommunalen Zusammenarbeit nicht nur in den Abschnitten über die Gebietseinteilung, sondern zusätzlich auch in anderen Abschnitten ihrer Verfassungen [5]. Die Frage nach den Modalitäten dieser Zusammenarbeit gewinnt - und dies nicht nur im Kanton Zürich - laufend an Bedeutung. Insbesondere von den Agglomerationsgemeinden geht ein hoher Erwartungsdruck aus, ihnen in der neuen Verfassung geeignete Instrumente zur interkommunalen Kooperation zur Verfügung zu stellen. Die Suche nach Möglichkeiten für die Steigerung der Wirksamkeit staatlicher Aufgabenerfüllung hat sich in den letzten Jahren zu einer erstrangigen Rechtsetzungsaufgabe entwickelt [6]. Als sanfte Methode, welche weder eine weit reichende Privatisierung noch grundlegende Änderungen in der Gebietseinteilung zum Gegenstand hat, drängt sich die Regelung der Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden geradezu auf. Von einer gut funktionierenden interkommunalen Zusammenarbeit sind unter anderem folgende Vorteile zu erwarten:
Gleichzeitig ist zu bedenken, dass jede Form von Zusammenarbeit zwischen Gemeinwesen zu Schwierigkeiten führen kann. Es handelt sich dabei um folgende Problemkreise:
Auf Grund der genannten Probleme, welche sich mit der Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit verschärfen können, muss deshalb immer im Einzelfall und unter Berücksichtigung der konkreten Aufgabe erwogen werden, ob eine Zusammenarbeit sinnvoll und wünschenswert ist. Wenn auf dieser Basis das Bedürfnis nach intensiver interkommunaler Zusammenarbeit zum Ausdruck kommt, so sollten dabei folgende Grundvoraussetzungen beachtet werden:
Für eine erfolgreiche Strukturreform absolut zentral dürfte dabei die Frage nach der zu erwartenden Akzeptanz in den einzelnen Agglomerationsgemeinden sein. Im Rahmen des Nationalfonds- Schwerpunktprogramms «Zukunft Schweiz» entstand eine interdisziplinäre Studie «Gemeindereformen zwischen Handlungsfähigkeit und Legitimation» [7]. Diese Studie kam zum Schluss, dass die Bereitschaft der befragten Gemeindebehörden zu Fusionen relativ gering ist (acht Prozent der Gemeinden). Wesentlich mehr Interesse fand die interkommunale Zusammenarbeit. Grössere Gemeinden zeigten in diesem Zusammenhang eine Präferenz für den Vertrag, während kleinere nach Gemeinschaftsorganen suchten. In allen Fällen wurde jedoch grosser Wert auf die Gemeindeautonomie gelegt. Dies ist bei der Wahl der konkreten Lösungen zur Verbesserung der Aufgabenerfüllung zu berücksichtigen; sanftere Strukturreformen oder gar Alternativen zu Gemeindereformen dürften besser akzeptiert werden als ein «revolutionärer» Neuaufbau der Gebietsstrukturen. Dies gilt es auch beim Prozess zu beachten, welchen die Gemeinden durchlaufen, wenn sie miteinander in eine engere Zusammenarbeitsform treten wollen. Ein fruchtbarer Ansatz für eine zeitgemässe Reform, welche diesen Weg öffnen will, muss die direkte Demokratie und den Föderalismus wirksamer werden lassen, als dies in bisherigen Ansätzen der Fall war. Zu diesem Zweck sind neue institutionelle Bedingungen zu schaffen, die den politischen Entscheidungsträgern Anreize geben, die Vor- und Nachteile von Zentralisierung und Dezentralisierung abzuwägen. Solche Reformen verlangen nach einer neuen Art von besonders flexiblen, demokratischen politischen Einheiten, die sich sowohl für die Koordination zwischen bestehenden Einheiten eignen, als auch die Suche nach der «optimalen» (De-) Zentralisierung ermöglichen. Dies wird erreicht, indem:
Daraus ergibt sich, dass der neue Träger einer öffentlichen Aufgabe im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit unter Agglomerationsgemeinden folgende Merkmale aufweisen sollte:
Diese Überlegungen
basieren auf dem Konzept der «Functional,
Overlapping and Competing Jurisdiction
(FOCJ)», welches von Bruno S. Frey und Reiner
Eichenberger [9]
entwickelt wurde. Vgl. dazu die Ausführungen
in «Hintergrund», Figur 1.
HINTERGRUNDMit der Zweckgemeinde wird eine Gebietskörperschaft bezeichnet, die zum einen wie eine Einwohnergemeinde organisiert ist, zum anderen von solchen gebildet wird, um ausgewählte kommunale Aufgaben gemeinsam zu erfüllen. Sie ist eine im Rahmen der derzeitigen Verfassungsrevision im Kanton Zürich ausgearbeitete Form einer Gebietskörperschaft, die auf das Konzept der «Functional, Overlapping and Competing Jurisdiction (FOCJ)» beruht. Dieses wurde durch Bruno S. Frey und Reiner Eichenberger an der Universität Zürich entwickelt [9] und basiert auf der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsrichtung der «Neuen Politischen Ökonomie» («Public Choice»). Hierbei werden politische Entscheidungsprozesse und Institutionen auf der Grundlage des ökonomischen Modells untersucht und es werden konkrete Massnahmen sowohl auf institutioneller als auch auf organisatorischer Ebene hergeleitet.
Fig. 1 Anmerkungen[1] Vgl. zur Frage der Agglomerationen im schweizerischen Föderalismus auch Thierstein, A.; Schuler, M.; Wachter, D. (2000): Grossregionen - Wunschvorstellungen oder Lösungsansatz. Verlag Paul Haupt, Bern. |
DOWNLOAD Die Zweckgemeinde als verfassungsrechtlicher Ansatz für Agglomerationen (PDF, 92 Kb) |
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