ARTIKEL,
VORTRÄGE
Hellfeier & de Spindler GmbH,
Strategie und Wirtschaftspolitik,
www.hsgmbh.ch
«Zweckgemeinde»
Diskussionsbeitrag im Rahmen der Reform
des Gemeindegesetzes im Kanton Wallis,
2003
Jürg de Spindler
Anpassungen der Staatsstruktur
In vielen Kantonen laufen Reformen, die darauf
abzielen, die grundlegende Staatsstruktur den
aktuellen Bedürfnissen anzupassen. Dies
betrifft das Finanzausgleichssystem, die
interkommunale Zusammenarbeit, die Aufgabenteilung
zwischen Kanton und Gemeinde und die demokratische
Mitwirkung. Auch auf Bundesebene steht mit der
Neugestaltung des Finanzausgleichs und der
Aufgabenverteilung (NFA) ein grosses Projekt an,
das das föderalistische Gefüge erneuern
wird.
Das Prinzip der
«institutionellen Kongruenz»
Eines der zentralen Anliegen ist es, die
sogenannte Institutionelle Kongruenz dort
zurückzugewinnen, wo sie aufgrund
verschiedener Entwicklungen sich langsam
aufgelöst hat. Damit ist der Fall gemeint,
dass der Kreis jener Personen, die eine Leistung
des Staates beanspruchen sich nicht mehr deckt mit
dem Kreis jener Personen, die sie bezahlt. Zudem
decken sich beide auch nicht mehr mit dem dritten
Kreis der Personen, die über die Leistung
politisch bestimmen.
Typische Probleme
Bekannt sind die Fälle, wo eine Gemeinde
eine Zentrumsleistung erbringt, wovon umliegende
Gemeinden ohne eigenen Beitrag profitieren, wie bei
Kulturinstitutionen oder Sportanlagen. Des weiteren
trifft man immer häufiger auf kommunale
Aufgaben, die nur noch grenzüberschreitend
optimal erfüllt werden können, wie bei
der Verkehrsinfrastruktur oder bei der Raumplanung.
Schliesslich gibt es auch diverse
Zweckverbände oder andere Plattformen
regionaler Zusammenarbeit, die bezüglich
demokratischer Kontrolle und finanzieller
Transparenz Mängel aufweisen.
Lösungsansätze
Klassische Antworten zu den aufgeworfenen
Problemen sind die Bildung interkommunaler
Koordinationsgremien, der Umbau des
Finanzausgleichssystems mit dem Lastenausgleich als
Ziel, die Bildung von Regionen oder allenfalls die
Kantonalisierung der Gemeindeaufgabe.
Eine zukunftsweisende Lösung ist die
«Zweckgemeinde», welche einerseits auf
bewährte helvetische Organisationsprinzipien
aufbaut, andererseits eine pragmatische und sanfte
Anpassung unserer Staatsstrukturen an die neuen
Gegebenheiten ermöglicht.
Die «Zweckgemeinde»
Kerngedanke der «Zweckgemeinde» ist
die aufgabenbereichsbezogene Ausrichtung der
Organisationsstruktur in Verbindung mit den
notwendigen legislatorischen und finanziellen
Kompetenzen sowie der direkten politischen
Verantwortung der Entscheidungsträger.
Während die «Zweckgemeinde» im
ersten Punkt dem Zweckverband nahesteht, wobei sie
sich i.d.R. nicht auf eine Aufgabe beschränkt,
gleicht sie in den anderen der Einwohnergemeinde.
Erprobte Beispiele sind die in sieben Kantonen
bekannten Schulgemeinden sowie die
Kirchgemeinden.
Vorteile der
«Zweckgemeinde»
Die Vorteile der «Zweckgemeinde»
werden am deutlichsten, wenn sie mit dem Status Quo
verglichen wird: Bezüglich einem Zweckverband
gewinnt man die demokratische Kontrolle und die
finanzielle Steuerbarkeit zurück. Im Vergleich
zu einer Kantonalisierung kann die regional
optimale Lösung hergeleitet werden. Im
Unterschied zu einem reinen Lastenausgleich werden
die finanziellen Rechte und Pflichten im
Gleichschritt mit demokratischen
Mitwirkungsmöglichkeiten ausgebaut.
Warum nicht gleich
fusionieren?
Die «Zweckgemeinde»-Lösung ist
nicht anstelle einer Fusion zu verstehen, sondern
lediglich als weiteres Instrument der
Zusammenarbeit, das den Gemeinden zur
Verfügung gestellt wird. Gegenüber einer
Fusion hat die «Zweckgemeinde» jedoch den
entscheidenden Vorteil, dass sie viel eher gebildet
wird, da nicht gleich die ganze Autonomie auf dem
Spiel steht. Arbeiten ausgewählte Gemeinden
vorerst in zwei bis drei Aufgabenbereiche zusammen,
kann ein Angewöhnungsprozess für eine
engere Zusammenarbeit ausgelöst werden, der
zum Ausbau des gemeinsamen Aufgabenbündels
führt. Dies könnte darauf hinauslaufen,
dass schliesslich die meisten Aufgabenbereiche
dieser Gemeinden zusammengelegt werden. Eine Fusion
wäre denkbar, ist aber nicht zwingend.
Realisierungswahrscheinlichkeit
erhöhen!
Ein entscheidender Vorteil der
«Zweckgemeinde» ist, dass der letzte
Schritt des genannten Prozesses nicht zwingend ist.
Ausserdem kann das Tempo einer solchen Reform von
den betreffenden Gemeinden selbst bestimmt werden.
Diese beiden Aspekt stellen, neben anderen,
unverzichtbare Voraussetzungen für die
Realisierung notwendiger Reformen von
Staatsstrukturen dar.
Eine Chance für den Kanton
Wallis?
Im Rahmen eines Gutachtens zuhanden des
Staatsrates des Kantons Wallis konnte das Konzept
der «Zweckgemeinde», dort als FOCJ
bezeichnet, als Lösungsvorschlag eingebracht
werden, um die interkommunale Zusammenarbeit im
Kanton zu fördern (s. dazu: Zweiter
Zwischenbericht betreffend die Förderung der
interkommunalen Zusammenarbeit, Schlussfassung vom
Juli 1999, Paritätische Kommission für
die Beziehungen Kanton-Gemeinden).
In Anbetracht der zunehmenden Aktualität
eines Reformbedarfes der Rolle der Gemeinden
könnte diese Idee anhand eines Pilotprojektes
getestet werden. Damit könnte parallel zu den
anlaufenden Agglomerationsprojekten im
städtischen Mittelland eine massgeschneiderte
Lösung für den Kanton Wallis
ausgearbeitet werden!
Für weitere Informationen zum
«Zweckgemeinde»-Modell siehe im Internet
unter
www.zweckgemeinde.ch
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