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Informationsblatt Nr. 5/2002, September/Oktober 2002 - Institut für Föderalismus, A-6020 Innsbruck - www.foederalismus.at

Die Zweckgemeinde

Österreich mehr zentralisieren oder mehr dezentralisieren?

Gastkommentar von Dr. Jürg de Spindler, Zürich


Österreich mehr zentralisieren oder mehr dezentralisieren? Die Diskussionen darüber laufen in der Regel auf eine Verschiebung der Kompetenzen mehr in die eine oder mehr in die andere Richtung hinaus. Sind keine anderweitigen Lösungen denkbar?

Das klassische Bild einer Staatsstruktur gleicht einer Pyramide, mit den Gemeinden auf der untersten staatlichen Organisationsebene, die zu Bundesländern zusammengefasst sind, welche alle den Staat Österreich bilden. Kann diese Sichtweise mit Bezug auf veränderte Bedürfnisse weiterhin vertreten werden? Auch wenn diese Struktur noch um die Gemeindeverbände und die politischen Bezirke ergänzt wird, herrscht die Meinung vor, dass das «Organigramm» einer föderalistischen Staatsordnung schön homogen und möglichst mit gleich großen «Kästchen» zu gestalten sei.

Dieser kurze und deshalb nur als gedankliche Anregung formulierte Diskussionsbeitrag, will eine pragmatische, neue Stossrichtung vorschlagen, die für konkrete Fälle in Österreich zu vertiefen wäre. Hintergrund dazu sind Erfahrungen aus der Schweiz, wo eine große Vielfalt staatlicher Organisationsstrukturen besteht und wo zurzeit mehrere Kantone ihre Verfassungen revidieren (zB Zürich, Graubünden).

Die eingangs gestellte Frage bezieht sich insbesondere auf laufende Diskussionen über eine Aufgabenneuverteilung, neu zu definierende Finanzkompetenzen und die Neugestaltung demokratischer Entscheidungsprozesse.

Die genannten drei Staatsebenen kämpfen aus verschiedenen Motiven für eine Ausweitung jeweils ihres Wirkungskreises, dh für mehr Mittel und mehr politische Kompetenzen. Wenn die demokratische Mitbestimmung thematisiert wird, dann vor allem in dem Sinne, dass sie auf der eigenen Ebene «vereinfacht», auf anderen Ebenen aber ausgebaut werden soll. Bei solchen «Verteilungskämpfen» ist die Gefahr groß, dass die Neuordnung ein zufälliges Ergebnis von unterschiedlichen Machtkonstellationen sowie politischen Tauschprozessen ist und nicht zwingend eine effektivere oder effizientere Aufgabenbesorgung herbeiführt.

Eine Möglichkeit, solche unbefriedigende Situationen zu entschärfen, besteht darin, die bipolare Debatte «Zentralisieren-Dezentralisieren», pragmatisch zu erweitern:

  • Eine Neuordnung könnte nach dem Prinzip gestaltet werden, dass Aufgabe (zB Regionalverkehr), Kompetenz (eigener Wirkungsbereich und eigene Finanzausstattung) und Verantwortung (demokratische Kontrolle) sich für jede Gebietskörperschaft decken. Abweichungen davon wären nur ausnahmsweise und offen begründet zuzulassen.
  • Zudem wären für ausgewählte Aufgaben neue Formen der Zusammenschlüsse zwischen Gemeinden und evtl. auch zwischen Bundesländern vorzusehen, welche eine optimalere Aufgabenerfüllung als die Bestehenden (Gemeinde, Bundesland, Bund) ermöglichen.

Dem zweiten Punkt liegt die Überlegung zugrunde, dass für eine optimale Aufgabenbesorgung die Größe des «optimalen» geographischen Gebietes bzw der «optimalen» Einwohneranzahl aufgabenspezifisch ist: für einen Kindergarten reicht ein Stadtviertel oder eine kleine Gemeinde aus, während eine Universität sich auf eine große Region abstützt.

Die vorgeschlagene Novellierung der Staatsstruktur würde die politische «Landkarte», hier am Beispiel eines Bundeslandes erläutert, wie folgt verändern: Die Gemeinden würden sich gebietsweise freiwillig dazu entscheiden, ausgewählte Aufgaben gemeinsam zu bewältigen.

Eine so entstandene «Zweckgemeinde» könnte je nach Bedarf wenige oder viele Gemeinden umfassen sowie einzelne oder mehrere kommunale Aufgaben besorgen. Anders als beim heutigen Gemeindeverband wäre die «Zweckgemeinde» im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben rechtlich einer Gemeinde gleichgestellt und wie eine solche organisiert, dh mit direkt gewählten Behörden (Zweckgemeinderat, Zweckgemeindevorstand), mit eigenständigen finanziellen Ressourcen (eigene Abgaben, Finanzausstattung und Haushaltsführung) und mit entsprechenden demokratischen Mitwirkungsinstrumenten (Möglichkeit der Zweckgemeinde-Volksabstimmung).

Zu den wichtigsten Vorteilen zählen:

  • die höhere Transparenz bezüglich der Verwendung öffentlicher Finanzmittel
  • die stärkere demokratische Verantwortung
  • eine optimalere, dh effektivere und effizientere Aufgabenbesorgung
  • sowie die Entschärfung der Debatte über Zentralisierung / Dezentralisierung.
     

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